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Quelle: Kreisanzeiger Wetterau

Bei Bosch Thermotechnik in Hirzenhain Belegschaft empört

17.03.2010 – HIRZENHAIN Von Michael Giers Während die Belegschaft noch bis Ende der vergangenen Woche gar nichts wusste und auch der Betriebsrat auf Nachfrage mit Beschwichtigungen abgetan wurde, platzte bei Bosch Thermotechnik in Hirzenhain am Montag während einer Mitarbeiterversammlung die Bombe: Der Standort soll komplett geschlossen und die Produktion nach Lollar verlagert werden. Mittlerweile haben sich die Arbeitnehmervertreter sortiert und verkündeten gestern, dass sie massiv dagegen vorzugehen gedenken. Betroffen wären insgesamt 57 Beschäftigte, davon auch acht Kollegen von Buderus Kunstguss, die mittlerweile unterm Dach von Bosch Thermotechnik gelandet sind. Insofern würde auch die Existenz des Kunstgussmuseums, das längst ein touristisches Zugpferd geworden ist, massiv in Frage gestellt sein. Für Hirzenhains Bürgermeister Freddy Kammer ist das ein Hammer. „Diese Entwicklung wäre fatal. Hirzenhain und die gesamte Region müssten darunter leiden. Ich werde versuchen, auf der politische Schiene alle Hebel in Bewegung zu setzen, um dagegen vorzugehen. Da muss der Landrat mit ins Boot und auch die verschiedenen hiesigen Abgeordneten auf Landtags- und Bundestagsebene.“ Ähnlich mobil, nur auf andere Art, machen die IG Metall, mit Gewerkschaftssekretär Rainer Gotthardt an der Spitze, sowie die Arbeitnehmervertretung mit dem Thermotechnik-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Willi Ranft (Lollar/Wetzlar), dem Hirzenhainer Betriebsratsvorsitzenden Joachim Wagner, seinem Stellvertreter Michael Döll und den Betriebsräten Andreas Nowicki und Marina Unger-Appel. Unterstützung gewährte während einer Pressekonferenz auch Harald Wagner, Betriebsratsvorsitzender der benachbarten Buderus Feinguss GmbH, die zum Perusa Fonds gehört. Früher waren sie in Hirzenhain alle gemeinsam bei Buderus eine Gemeinschaft, bis dort alles verscherbelt wurde. Vor allem der Kunstguss-Betrieb weiß vom Wechselspiel ein Lied zu singen. Wobei Betriebsrätin Unger-Appel Wert auf die Betonung legt, dass es in den zwei Jahren bei Bosch unterirdisch schlecht lief für diese traditionsreiche und historische Sparte. Alle gemeinsam wollen sie nun der Schließung entgegenwirken. IG Metaller Gotthardt: „Wir werden eine klare Linie verfolgen und ein Konzept vorlegen, welches deutlich aufzeigt, dass am Standort Hirzenhain sehr wohl erhebliche Umsatzsteigerungen zu erzielen sind.“ Da liegt der Hase im Pfeffer. Die Arbeitgeberseite, am Hauptsitz in Wetzlar angesiedelt, vertritt nämlich eine andere Auffassung. Das Geschäft mit Kaminöfen und Heizeinsätzen für Kamine und Kachelöfen soll deutlich ausgebaut und bis zum Jahr 2015 eine Verdoppelung des Umsatzes in dieser Sparte erreicht werden. Die in Hirzenhain vorhandenen Strukturen seien dafür ungeeignet. Daher sollen die Fertigung, der Vertrieb und die Entwicklung vollständig an den Bosch Thermotechnik-Standort Lollar verlagert werden. Dort seien die erforderlichen Strukturen bereits vorhanden und es sei die Nutzung von Synergien möglich. Uwe Glock, Vorsitzender des Bereichsvorstands: „Dieser Schritt ist notwendig, um das angestrebte Wachstum zu realisieren. Nur so können wir auf dem Markt mithalten und unsere Position ausbauen.“

KOMMENTAR: Ein Jahr danach, der Wechsel nach Lollar ist beschlossen. Hirzenhainer Arbeitnehmer müssen täglich ca. 70km Wegstrecke auf sich nehmen, oder einen Umzug in Angriff nehmen. Gravierende Fehler wurden bereits in den 70er Jahren gemacht, als der Grauguss nach Lollar ausgelagert wurde, und man die Gussteile nach Hirzenhain zur Weiterverarbeitung zurück bringen musste. Hirzenhain setzte auf den Aluminiumguss (Herstellen von Zylinderköpfe, Lenkgehäuse, Saugstutzen etc. für die Autoindustrie), der sich nur wenige Jahre hielt. Zu oft wurde (Experimentierfreudigkeit) Schrott produziert. Mitarbeiter mussten in den Opelwerken in Kaiserslautern, Rüsselsheim und Bochum Nachbesserungsarbeiten verrichten, bis der Kunde genug hatte, und die Aufträge an andere Firmen vergab.

Die Rolle der Gewerkschaft, speziell die der Betriebsräte, war stetig mit Kritik behaftet. So wurde gemunkelt, dass der alte Betriebsrat (alkoholische Probleme) zu Weihnachten im Hauptwerk in Wetzlar sei, um sich dort Rolexuhren abholen zu können. Die später gewählten jüngeren Gewerkschaftsvertreter sollen sich zum Teil auch noch als Abteilungsleiter betätigt, und im Interesse des Konzern aggiert haben.

Sprüche wurden bei Buderus immer grosse geklopft, getan aber wurde herzhaft wenig. Arbeiter, welche sich nicht haben einschüchtern lassen, die hat man fristlos oder gegen Abfindung, gefeuert. Diese Politik der uneingeschränkten Gutsherrenart hat letztlich dazu geführt, dass der Standort Hirzenhain (Ausnahme der Stahlfeinguss) zerschlagen wurde.

Vielen SPD-Betriebsräten sei dank, die ja auch die Rente mit 67 fordern, für die Leiharbeit gestimmt haben, für die Lockerung des Entsendegesetz, für die Zerschlagung von Flächentarifverträgen, für Hartz4, die Agenda 2010, und manch unsoziale Sauerei mehr.

(RS. 05.07.2011)

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